
Edition Künstlerzeitung No.4
Raumforderung oder was ist Faschismus?
15-teilige Arbeit über den aktuellen Schmerz, Februar bis Juli 2022, Köln
„Der Faschismus gehört zu unserer Geschichte. Er ist eine permanente Bedrohung für die liberale Demokratie und für die soziale Demokratie, die beide im Geist der Aufklärung verwurzelt sind. Es ist ein ruhendes Phänomen: In Zeiten von Frieden und Wohlstand fühlt man seine Existenz nicht..." (Zeev Sternhell im Interview mit der taz 2016)
Kaum jemand kann heute noch beschreiben, was Faschismus ist. In den öffentlichen Debatten, sei es in den Medien, Netzwerken oder auf Demonstrationen, werfen sich Menschen immer wieder gegenseitig vor, Faschisten oder Nazis zu sein. Vieles wird durcheinander gewürfelt. Die Eigenschaften bzw. Merkmale des Faschismus sind in der öffentlichen Wahrnehmung verschwommen.
Umso häufiger stellt sich die Frage: Was ist eigentlich Faschismus?
Dazu lassen sich zwei wichtige Publikationen hervorheben, die zu lesen lohnen, wenn der Nebel sich ein wenig lichten soll. Zum einen gibt es den Vortrag von Umberto Eco in „Der ewige Faschismus“ (1995) und zum anderen die wissenschaftliche Arbeit über die Entstehungsgeschichte des Faschismus, beschrieben von Zeev Sternhell in „Faschistische Ideologie – Eine Einführung (1976).
Eco beschreibt in seinem Vortrag 1995 (Colombia Universität, New York) die Grundmerkmale des Ur-Faschismus und sieht Faschismus als Sammelbegriff der verschiedenen Ausprägungen totalitärer, nazistischer und autokratischer Systeme.
Sternhell führt aus, wie seit Mitte des 19. Jahrhunderts über die unterschiedlichsten Länder, politischen Strömungen und die wichtigsten Intellektuellen ihrer Zeit alle Zutaten des Faschismus bis vor dem 1. Weltkrieg formuliert und unabhängig voneinander in ihren Einzelteilen dem Mainstream geläufig waren. Weiter beschrieb er die Entstehung der Ideologie des Faschismus als erste Massenbewegung unter seinem Begründer Mussolini. Hitlers „Mein Kampf“, so Sternhell, hatte kaum neue Gedanken, sondern war eine Zusammenreihung diverser faschistoider Einzelteile, die in den Jahrzehnten zuvor zunehmend in den Umlauf kamen und zum allgemeinen öffentlichen Diskurs gehörten.

Beiden Autoren ist gemeinsam, dass sie Faschismus als eine beständige Gefahr für demokratische Systeme sehen. Dort, wo Demokratie scheitert oder zu scheitern beginnt, lassen sich ur-faschistischen Merkmale bzw. Archetypen beobachten. Diese führen, wenn man sie lässt, letztlich zu politischen Systemen, die durch ihre vertikale Machthierarchie gekennzeichnet sind.
Die wesentliche Frage unserer Zeit und der doch so unberechenbaren digitalen Zeitenwende ist, wie sich Demokratien vor den immer stärker werdenden Bestrebungen unterschiedlichster Gruppierungen bei der Etablierung vertikaler Machtstrukturen schützen kann, die letztlich in totalitären Strukturen enden und in letzter Konsequenz in Kriege münden.

In meiner neuen Serie Raumforderung verknüpfe ich die 14 von Umberto Eco benannten Merkmale des Ur-Faschismus (Der ewige Faschismus S. 30-38), die Schrift von Zeev Sternhall (Faschistoide Ideologie - Eine Einführung) und meine – natürlich subjektiven - Beobachtungen der neuen modernen Erscheinungsformen des Faschismus, die sich in den sozialen Netzwerken und Medien finden lassen.
Die jeweiligen Bilder zu den Statements sind innerhalb der Serie austauschbar und haben nur eine Botschaft: Schmerz.
Oder kurz gesagt: Mein Verständnis für Faschisten und faschistoide Systeme ist gleich null.
Künstlerzeitung (Ausgabe #4, Auflage 20, Zeitungsdruck, 24 Seiten) Köln, 2022.
Für alle, die sich fragen, ob es sich bei den hier gezeigten Arbeiten noch um Fotografie handelt, können sich unter folgendem Link Erleichterung verschaffen.
Siehe neue Arbeit (2022) zur digitalen Zeitenwende "So habe ich es gesehen"

24. Februar 2022
Kürzlich haben sich Xi Jinping und Wladimir Putin eine „Freundschaft ohne Grenzen“ versprochen. Das klingt jetzt ziemlich übel.








